Mit der Durchführung des ersten bundesweiten Warntages im September 2020 reifte die Erkenntnis, dass die im Versorgungsbereich der Regionalleitstelle Lausitz vorhandenen Sirenen möglicherweise nicht in der Lage sind, eine zielgerichtete Warnung der Bevölkerung zu realisieren. In der folge dessen wurde untersucht welche Probleme bestehen und es wurden Lösungsansätze zu Behebung erarbeitet.
heutiger Sachstand
Zunächst kristallisierten sich folgende Mängel heraus:
- Es gibt keine Festlegung zum Muster der Sirenensignale „Warnung“ und „Entwarnung“.
- Es gibt keine Festlegung der Zuordnung von Funktionsadressen zur ersten RIC einer Sirene, um die Signale „Warnung“ und „Entwarnung“ ansteuern zu können.
- Es gibt keine Festlegung zur strukturierten Programmierung von Sirenensteuergeräten, damit diese einheitlich und schnell warnen können.
- Es gibt keine landesweite Abstimmung zu o.g. Themen, obwohl dies aufgrund des Redundanzkonzeptes der Regionalleitstellen zwingend erforderlich ist.
In Abstimmung mit dem MIK wurden entsprechend der aktuellen Technischen Richtlinie BOS für die Digitale Funkalarmierung (Anlage 1) und dem Beschluss der 44. Sitzung des Ausschusses „Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung“ des Arbeitskreises V der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (Anlage 2) folgende Erkenntnisse gewonnen.
Zivilschutz- und Probesignale
- – Probealarm – (Funktionsadresse A)
Es ertönt für 15 Sekunden ein Heulton.
- – Einsatzalarm – (Funktionsadresse B)
Es ertönt drei mal hintereinander für jeweils 15 Sekunden ein auf- und abschwellender Heulton.
- – Warnung – (Funktionsadresse C)
Es ertönt für 1 Minute ein schnell auf- und abschwellender Heulton.
- – Entwarnung – (Funktionsadresse D)
Es ertönt für 1 Minute ein Dauerton.
Diese Tonfolgen sind in der o.g. Technischen Richtline Digitale Funkalarmierung im Teil D beschrieben. Im Punkt D 2.4 Auswertung heißt es:
Funktionsadresse | Funktionsbit (20,21) | Ausgang |
A | 00 | Kontakt für 1-2 s schließen |
B | 01 | Kontakt für 60 s im 12 s Takt schließen und öffnen |
C | 10 | Kontakt für 60 s im 2 s Takt schließen und öffnen |
D | 11 | Kontakt für 60 s schließen |
Hierbei entspricht die Funktionsadresse C dem Signalton „Warnung“ und die Funktionsadresse D dem Signalton „Entwarnung“. Mit diesem Stand der Informationen ist es möglich, einen Programmiervorschlag für die im Bestand vorhandenen Sirenen zu erarbeiten.
Nach aktuellen Informationen sind in einem überwiegenden Anteil von Sirenen Steuergeräte verbaut, die
- nur zwei RICs mit je zwei Funktionsadressen bzw.
- nur zwei RICs mit je vier Funktionsadressen aufnehmen können.
Diese vorhandenen RICs werden mit ihren Funktionsadressen für die Alarmierung bzw. Probealarmierung durch die jeweiligen Aufgabenträger genutzt.
In der Variante b bestünde somit die Möglichkeit, die Funktionsadressen C zur Warnung und D zur Entwarnung zu nutzen. Hierbei ist jedoch zwingend zu beachten, ob es sich bei der verwendeten RIC um eine Einzeladresse für eine spezielle Sirene handelt, oder ob diese RIC für eine Gruppe von Sirenen genutzt wird. Diese Information ist von größter Bedeutung für die Aussendezeiten im Netz.
Erläuterung am Beispiel Oberspreewald-Lausitz
Für die Alarmierungsnetze wurden bei ihrer Schaffung entsprechende Frequenzen zur Verfügung gestellt. Jeder Landkreis war bei Einführung der Digitalen Alarmierung für sein Netz verantwortlich.
Mit der Regionalisierung von Leitstellen wurden Im Regionalleitstellenbereich Lausitz aufgrund von gleichen Frequenzen die Netze der Landkreise Oberspreewald-Lausitz (OSL), Spree-Neiße (SPN) und der kreisfreien Stadt Cottbus/Chóśebuz (CB) zu einem Netz zusammengefasst. Mit dieser Zusammenfassung war ein Großteil der bis dahin vorhandenen gegenseitigen Netzbeeinflussungen ausgeräumt und in Überlappungsbereichen wurde eine wesentlich bessere Netzverfügbarkeit erreicht.
In diesem Gesamtnetz werden allein für den Landkreis OSL 156 Sirenen betrieben. Jede dieser Sirenen hat mindestens ihre eigene spezielle RIC unter der sie erreichbar ist. Wenn jetzt im Rahmen der Warnung der Bevölkerung unter diesen einzelnen RICs die Funktionsadressen C und D programmiert werden, müssen insgesamt 156 RICs alarmiert werden.
In der technischen Umsetzung werden diese 156 RICs in einzelne Pakete zu je 3 RICs verpackt und ausgesendet. Nach positiver Rückmeldung für die Aussendung eines solchen Paketes durch das System wird das Nächste versandt. Für die Aussendung eines Paketes benötigt das System ca. 30 Sekunden.
Daraus ergibt sich:
- 156 RICs / 3 (RICs in einem Sendepaket) = 52 Aussendepakete
- 52 Aussendepakete x 30 Sekunden Aussendedauer = 1560 sec. Gesamtaussendezeit
- 1560 sec. / 60 = 26 min Gesamtaussendezeit
Die Gesamtaussendezeit für die 156 RICs beträgt bei günstigsten Bedingungen somit mindestens 26 Minuten. In diesen 26 Minuten kann keine andere Alarmierung im Netzbereich durchgeführt werden. Das heißt, dass Netzt der Digitalen Alarmierung steht dann für weitere Alarmierungen von Feuerwehr und Rettungsdienst nicht zur Verfügung.
Hinzu kommt, dass – insbesondere am bundesweiten Warntag – innerhalb dieses Netzes auch noch die Sirenen des Landkreises Spree-Neiße und in der Stadt Cottbus/Chóśebuz zeitgleich alarmiert werden sollen.
Somit stünden ca. 300 RICs zur Alarmierung an, was die Alarmzeit auf ca. eine Stunde ausweiten würde. Dies lässt erkennen, dass ein solcher Ansatz nicht weiter verfolgt werden darf um die Alarmierbarkeit von Feuerwehr und Rettungsdienst nicht zu gefährden.
Des Weiteren ist zu beachten, dass in vielen Bereichen zur Erhöhung der Alarmierungsgeschwindigkeit die Anzahl der RICs bei den Aufgabenträgern stark verringert wurde. Dies wurde teilweise durch die gemeinsame Nutzung einer RIC für die Pager- und für die Sirenenalarmierung erreicht. Da bei der regelmäßig auszusendenden Probealarmierung für die Pager die Funktionsadresse D genutzt wird, würde bei gemeinsamer Nutzung dann die Sirene eine „Entwarnung“ signalisieren.
Lösungsvorschlag
Die vorhandenen Sirenensteuergeräte der ersten und zweiten Baureihe stammen aus den 1990er Jahren und sind wie oben bereits erläutert für weitere Aufgaben nur schwerlich nutzbar. Hinzu kommt die bis dato verwendete und veraltete Übertragungsrate von 512 Baud sowie feste Programmierung der Sirenen auf eine (1) zu nutzende Frequenz.
Anzustreben ist deshalb ein Tausch gegen aktuelle Sirenensteuergeräte welche mindestens 8 RICs mit den Funktionsadressen A, B, C und D empfangen und auswerten können. Des Weiteren müssen die Steuergeräte Multifrequenz- und Multibaudfähig sein.
Sofern dies nicht möglich ist, müssen die Sirenen mindestens mit drei RICs und folgenden Funktionsadressen ausgestattet werden. Diese ließen sich wie folgt nutzen:
- eine RIC für jede einzelne Sirene
(Funktionsadresse A und B) - eine RIC als Gruppenruf, programmiert in allen Sirenen eines Aufgabenträgers der Feuerwehr (Funktionsadresse A, B, C und D)
- eine RIC als Gruppenruf, programmiert in allen Sirenen eines Landkreises
(Funktionsadresse A, B, C und D)
Sollte der Aufgabenträger das Sirenensteuergerät zur Schaltung eigener Abhängigkeiten verwenden (Torsteuerung / Licht / Türentriegelung) so sind ggf. weitere RICs notwendig.
Zur Warnung der Bevölkerung kann diese Programmierung wie folgt genutzt werden:
- Im Einsatzfall (Gefahr durch Waldbrände, Gefahrstoffe in der Luft, Deichbruch etc.) kann kleinteilig mit der RIC eines Aufgabenträgers gewarnt werden.
- Im Schadensfall oder auf Weisung von Land und Bund kann großräumig mit der RIC der Landkreise gewarnt werden.
Zusätzlich können die RIC der Aufgabenträger oder des Landkreises regelmäßig für die durchzuführende Probealarmierung genutzt werden.
Zusammenfassung
Mit dem aufgezeigten Lösungsvorschlag wären im Regionalleitstellenbereich Lausitz im Schadensfall lediglich 5 RIC zu alarmieren, deren Aussendedauer unter einer Minute liegen würde.
Die beschriebene Vorgehensweise sollte nach Möglichkeit zentral durch das Land Brandenburg für alle Landkreise verbindlich vorgeben werden. Nur so kann aus unserer Sicht eine Warnung der Bevölkerung schnell, effizient und zielführend realisiert werden.
Zusätzlich sind die beschriebenen Sirenensignale intensiv überregional zu publizieren und deren Bedeutung sowie die daraus resultierenden Handlungsabläufe für die Bevölkerung zu beschreiben. Ohne diese Informationen würde eine nicht angekündigte Auslösung der Signale „Warnung“ bzw. „Entwarnung“ schnell zu einem Überlauf der Notrufleitungen in den Regionalleitstellen führen.
Abkürzungen
- RIC = Radio Identification Code
- Adresse unter der ein Gerät oder eine Gruppe von Geräten im Netz der Digitalen Alarmierung erreichbar ist
- MIK = Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg
Anlagen
- Anlage 1
- Anlage 2
- Beschlussniederschrift der 44. Sitzung des Ausschusses „Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung“ des Arbeitskreises V
13. / 14. März 2019 (Stand: 01. April 2019)
- Beschlussniederschrift der 44. Sitzung des Ausschusses „Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung“ des Arbeitskreises V
Quellen
- Titelbild: Thomas Schulze, CC BY-SA 3.0